Die Dissertation von Dr. Alexander Racz mit dem Titel „Die Genese des christlichen Altars in Norditalien: Form, Dekoration und Reliquienkult (4. bis 8. Jahrhundert)“ ist eine tiefgehende Untersuchung der Entwicklung des christlichen Altars in einer der kulturgeschichtlich reichsten Regionen des frühen Mittelalters. Diese Arbeit beleuchtet nicht nur die materielle Entwicklung des Altars, sondern auch seine Rolle im religiösen und liturgischen Kontext des frühen Christentums. Dr. Racz widmet sich dabei einer der zentralen Fragen der Kunstgeschichte: Wie haben sich die liturgischen Objekte, die heute als Altäre bekannt sind, im Zeitraum von der Spätantike bis ins Frühmittelalter entwickelt?
1. Der christliche Altar als Forschungsgegenstand
Der Altar ist das liturgische Zentrum des christlichen Kirchenraums. Auf ihm wird die Eucharistie gefeiert, wodurch das Opfer Christi immer wieder aktualisiert wird. Doch trotz der immensen Bedeutung dieses Objekts für den Gottesdienst und die christliche Kunst, bleibt die Entstehung und Entwicklung des Altars in der frühen christlichen Zeit ein schwieriges und oft unklar beleuchtetes Thema. Die ältesten erhaltenen Altäre und die damit verbundenen archäologischen Funde stammen aus dem 4. Jahrhundert, was die Rekonstruktion der frühesten Formen des Altars erschwert. In seiner Dissertation setzt sich Dr. Racz intensiv mit der Frage auseinander, wie die Altäre der ersten Jahrhunderte des Christentums aussahen und welche Funktionen sie im Gottesdienst und im Reliquienkult erfüllten.
Im Zentrum dieser Untersuchung steht die Frage nach der Form und Funktion des Altars. Welche Symbole und dekorativen Elemente zierten diese Objekte? Welche liturgischen und theologischen Bedeutungen waren damit verbunden? Durch die Kombination von archäologischen, kunsthistorischen und liturgiewissenschaftlichen Methoden bietet die Dissertation von Dr. Racz eine interdisziplinäre Perspektive auf die Genese des christlichen Altars in Norditalien.
2. Der Altar im Spannungsfeld von Architektur und liturgischem Mobiliar
Im 20. Jahrhundert lag der Fokus der archäologischen und kunsthistorischen Forschung oft auf der architektonischen Gestaltung von Kirchengebäuden der Spätantike und des Frühmittelalters. In diesem Kontext wurde dem Altar als liturgisches Mobiliar, als integrales Element des Kirchenraums, jedoch weniger Beachtung geschenkt. Die Bedeutung des Altars als zentrales liturgisches Objekt wurde erst in den letzten Jahrzehnten stärker in den Blick genommen, was Dr. Racz in seiner Dissertation aufgreift. Der Altar, als zentraler Bestandteil der Kirche, ist nicht nur ein funktionales Möbelstück, sondern ein Symbol für den heiligen Raum, der in der frühchristlichen Liturgie und Theologie eine herausragende Rolle spielt.
3. Die Reliquienkult und die Bedeutung des Altars
Ein weiterer zentraler Punkt in der Dissertation von Dr. Racz ist die Rolle des Altars im Reliquienkult. Im 4. Jahrhundert begann man, Altäre in unmittelbare Nähe von Märtyrergräbern zu platzieren, wodurch der Altar eine zentrale Rolle in der Verehrung von Reliquien einnahm. Dr. Racz geht der Frage nach, wie diese Praxis die Gestaltung und den symbolischen Wert des Altars beeinflusste. Der Altar wurde zum Ort der Verbindung zwischen der göttlichen und der menschlichen Welt, was durch die Reliquien als Vermittler von göttlicher Kraft noch verstärkt wurde.
Die Dissertation untersucht auch, wie sich im Laufe der Jahrhunderte die Gestaltung und Dekoration von Altären veränderten, wobei der Einfluss paganer Vorbilder und die Entwicklung neuer christlicher Ikonographien eine zentrale Rolle spielten. Dr. Racz widmet sich der Frage, wie sich diese Veränderungen auf die regionale Kunstproduktion in Norditalien auswirkten und wie der Altar in verschiedenen Zeiten und Orten unterschiedliche Formen annahm.
4. Methodologie und Forschungsansatz
Die Dissertation basiert auf einer umfassenden Sammlung von über fünfzig Altären und Altarfragmenten aus der Region Norditalien. Dr. Racz untersucht nicht nur diese physischen Objekte, sondern nutzt auch schriftliche und bildliche Quellen sowie archäologische und bauhistorische Befunde, um ein umfassendes Bild der Entwicklung des Altars zu zeichnen. Besonders wichtig ist die interdisziplinäre Herangehensweise, bei der kunsthistorische, liturgiewissenschaftliche und archäologische Perspektiven miteinander kombiniert werden, um die Funktion und Bedeutung des Altars in der christlichen Liturgie und Kunst zu verstehen.
5. Fazit
Mit seiner Dissertation leistet Dr. Alexander Racz einen bedeutenden Beitrag zur Kunstgeschichte des Frühmittelalters und zur Erforschung des christlichen Altars. Die Arbeit stellt nicht nur eine systematische Untersuchung der Altäre in Norditalien im Zeitraum vom 4. bis 8. Jahrhundert dar, sondern bietet auch neue Einsichten in die Verbindung von Architektur, Liturgie und Kunst in dieser frühen Phase des Christentums. Durch die detaillierte Analyse von Altären und Reliquien sowie der Untersuchung ihrer dekorativen Elemente und symbolischen Bedeutung hat Dr. Racz eine wertvolle Grundlage für zukünftige Forschungen im Bereich der christlichen Kunst und Liturgie gelegt. Die Dissertation bietet nicht nur Kunsthistorikern, sondern auch Kirchenhistorikern und Liturgiewissenschaftlern ein umfassendes und tiefgehendes Verständnis für das liturgische Mobiliar der frühen Kirche und seine Entwicklung.
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